Teilnehmer
(von links nach rechts):
Franz
Ito
Andreas
Laura
Christof
Silvia
Bojan
Vor dem Start wegen zu
großer Füße disqualifiziert:
Artur
„Wo andere umdrehen, dort fangen wir erst richtig an.“
Mit folgenden Worten habe ich vor einigen Wochen zu dieser Tour eingeladen:
Ich kann euch nicht versprechen, dass ihr nicht nass werdet.
Ich kann euch nicht versprechen, dass es nicht anstrengend wird.
Ich kann euch nicht versprechen, dass ihr nicht verdammt dreckig werdet.
Aber dass wir einen enormen Spass haben werden und dass ihr euch immer daran
erinnern werdet, das kann ich euch versprechen. Was könnt ihr mehr erwarten?
Und siehe da, alle Punkte sind tatsächlich eingetreten 🙂
Nun gilt es also zu Berichten von unserem kleinen selbstgewählten Abenteuer. Schliesslich ist ja die Höhle beinahe ein abgeschlossenes System wir die Kiste, in die der gute Schrödinger seine arme Katze gesperrt hat (natürlich nur gedanklich). Und wenn es keiner beobachtet hat, dann können wir nicht wissen, ob es tatsächlich stattgefunden hat. Lebt die Katze noch? Hat sie doch der Hammer erwischt? Nur durch die Beobachtung* können wir es Realität werden lassen und das will ich jetzt ermöglichen:
Aber wovon soll ich berichten?
Soll ich vom „Prinzen“ berichten? Von Stalagmiten und Stalaktiten? Die Merkhilfe zur Unterscheidung derselben hat uns ja Ito beigebracht, das ist aber leider hier zur offiziellen Wiedergabe nicht geeignet. Aber ich denke ihr wisst schon was ich meine.
Wikipedia schreibt es so:
„Im Deutschen lässt sich der Unterschied zwischen den beiden erstgenannten Tropfstein-Formen dadurch merken, dass das k der obenhängenden Stalaktiten Oberlänge hat – nach oben weist, wo der Tropfstein hängt, das g der untenstehenden Stalagmiten Unterlänge hat – nach unten weist, wo der Tropfstein steht.“
Wer jetzt behauptet, das beim ersten Lesen verstanden zu haben, darf aufstehen und sich 3 mal im Kreise drehen. Wem so etwas einfällt, braucht dringend einmal Frischluft. Für mich ist Itos Erklärung einprägsamer.
Ein neuer Begriff ist auch aufgetaucht: „Stalagnat“. Das ist dann, wenn Stalagmit und Stalaktit zusammengewachsen sind. Merkhilfe: zusammen“gnaht“. (Für Nichtsteirer: „zusammangenäht“). Also wieder was gelernt.
Soll ich von den 3 Zinnen berichten oder anderen eindrucksvollen Strukturen? Von faszinierenden Farbbildungen? Von riesigen versteinerten Wasserfällen? Von Höhlenperlen und anderen Kostbarkeiten? Vom Schlamm und von kalten Wasserduschen? Vom Klettern über rutschige Felsen? Wie es tatsächlich ist, die Radieschen von unten zu sehen?
Nein, das könnt Ihr alles auf den Fotos viel besser sehen.
Viel lieber will ich von Gedanken berichten. Gedanken die sich tief ins Gehirn eingraben, Gedanken die uns fasziniert haben.
Dunkelheit
Ein bekanntes Konzept. In der Nacht oder auch tagsüber im Kasten. Schnell gewöhnen sich die Augen daran und man erkennt Umrisse und Objekte.
Nicht in der Höhle. Die Dunkelheit bleibt absolut. Kein Quantum Licht gibt den Augen Beschäftigung. Wir schalten die Lampen ab und plötzlich ist da Nichts. Ein Nichts das dich umhüllt und festklammert. Ein Nichts das von Minute zu Minute schwerer wird. Wieso kann das Nichts plötzlich ein solches Gewicht haben?
Fällt mir schon das Atmen schwerer? Fühle ich mich tatsächlich nach 2 Minuten schon unwohl? Könnte bitte jemand seine Stirnlampe wieder einschalten! Aber nein, der Ehrgeiz verbietet es natürlich als erster aufzugeben. Und so geniessen wir weiter die absolute Dunkelheit.
Aber jetzt können wir uns in etwa vorstellen, was es heisst in einer Höhle gefangen zu sein. Die Batterien werden immer schwächer, das Licht verschwindet und zurück bleibt die absolute Verzweiflung. Ein falscher Schritt könnte nun in den Abgrund führen. Jede Bewegung ist nun prinzipiell falsch. Und wenn es Tage dauert bis Hilfe naht? Und wenn niemand kommt? Bedrückende Vorstellungen.
Gottseidank! Der Guide schaltet seine Lampe ein. Zeit wieder aufzubrechen!
Arbeit
So marschieren wir also weiter durch die Höhle. Über glitschige Felsen klettern, nur kurze Seilstücke zum Anhalten. Wer ausrutscht landet vielleicht 3 Meter tiefer in einem Syphon. Ist angeblich schon ein paar mal passiert, uns zum Glück nicht. Die Guides (darf man Führer sagen?) wissen einige spannende Geschichten zu erzählen.
Engstellen passieren, die man nur quer begehen kann. Wusste gar nicht, dass ich so breite Schultern habe. 20 Meter hinabblicken zum Höhlenbach. Froh, dass ein Geländer da ist. Anstrengend. Glaubt man.
Und ständig sieht man sie wieder ein paar Meter lang: Die Reststücke des alten Gehweges, der Peggau mit Semriach verbunden hat. Dieses gewaltige „memento mori“ der Unterwelt. Mitten durch die Grotte. Fest betoniert, mit Eisenbahnschienen zur Befestigung verstärkt. Das ist unvorstellbar. Wer hat das Zeugs da reingeschleppt? Wer hatte die Kraft, da nicht zur sich selbst mühsam über die Felsen zu wuchten, sondern dabei noch ganze Eisenbahnschienen zu schleppen. Einen Zementsack schleppen, 3 km lang, bis man endlich bei der Baustelle ist? Und das ganze vor über 80 Jahren! Das ist wirklich anstrengend, vor allem wenn man den Lohn bedenkt: Oft nur das Essen für den Tag.
Und alles doch umsonst. Nur wenige Jahre nach der Fertigstellung alles wieder weggeschwemmt durch die unvorstellbare Kraft des Wassers.
Wasserkraft
Verbogene Eisenbahnschienen, Betonwege, die es nicht mehr gibt. Du gehst 20 Meter über Grund und 10 Meter über dir steckt ein großer Holzbalken in den Felsen. Hineingedonnert um nie wieder bewegt zu werden. Hier wo du stehst ist die Höhle manchmal bis zum oberen Rand voller Wasser, das alle mitreisst. Das übersteigt die Vorstellungskraft.
Nur erahnen lässt sich, was in diesem Mahlstrom dann los ist.
Die Mathematik der Höhle ist auch klar: 1,5 Stunden Vornwarnzeit gibt es, wenn vom Berg die Wassermassen kommen. 3 Stunden haben wir in die Höhle hineingebraucht. Wir sind froh, dass die Wettervorhersage keinen Regen prognostiziert hat.
Diese Gedanken sind es also, die uns bewegen, während wir uns durch die Dunkelheit immer weiter in den Berg hinein arbeiten.
Dazwischen natürlich auch ein „Warum tue ich mir das überhaupt an?“, „Aua!“, und ein „hoffentlich ist bald Pause“.
Aber viel öfter auch ein „WOW!“, „Saugeil“ und „Staun!“.
Es wird uns nicht langweilig auf dieser Tour. Die Stimmung ist super, die Teilnehmer sind alle lustig und „voll gut drauf“. Zwischendurch summe ich „Jede Zelle meines Körpers ist glücklich“.
(Wer‘s noch nicht kennt: http://www.youtube.com/watch?v=ZTjyRu88PRE Achtung! Ironie!)
Bojan erfindet die neue „Rücken zur Wand“-Abseiltechnik. So sieht er auch die Umgebung viel besser. Ein grandioser Anblick. Leider versagt die Kamera in diesem Augenblick. Kopfüber hat er es leider nicht mehr geschafft.
Der Gesichtsausdruck von Ito vor dem Abseilen könnte mein eigener sein. Aber „Angst ist gut!“ Mit diesem Mantra geht es.
Laura hingegen schwebt da hinunter, als würde sie den ganzen Tag nichts anderes machen. Vielleicht ist sie evolutionär schon ein paar 10.000 Jahre weiter als wir. Da ist Höhenangst wahrscheinlich nicht mehr notwendig. Bereit für die Reise zu den Sternen.
Wichtig ist es auch, immer gut auf den Boden zu schauen. Dann sieht man den Felsen in Kopfhöhe nicht so genau, in den man ungebremst hineinrennt. Aber dafür ist ja der Helm da. Der hat sich auf jeden Fall gut bewährt. Meiner hat jetzt eine Schramme mehr.
Alle klettern tapfer über glitschige Hindernisse. Christof und Silvia lassen sich so wie alle anderen von nichts abhalten. Christof ist von Beginn weg bestens ausgerüstet mit eigener Stirnlampe und allem drum und dran. Das wird natürlich belohnt. Am Ende der Tour haben sich ein paar wertvolle Höhlenperlen in seiner Anzugstasche materialisiert. Ein Wunder!
Franz hingegen geht die Tour eher asketisch an. Als Jause reicht eine Tschick. Obwohl Ito einen Leib Brot mitschleppt, der uns alle nach dem Zusammenbruch der Zivilisation eine Zeitlang ernähren könnte, verweigert Franz auch diese Zusatzkalorien. Manche sind eben aus härterem Holz geschnitzt.
Wir alle überschreiten Grenzen des Gewohnten. Das gibt uns Selbstvertrauen für den nächsten Felsen. Wir setzen Markierungspflöcke im Universum unserer eigenen Erfahrung. Stecken unsere Claims ab. Hier war ich, diese Erfahrung gehört jetzt mir.
Das ist es, was uns hier in die Tiefe vordringen lässt. Und das ist es, was uns dann zufrieden macht.
Geschafft! Das Tageslicht wird im fernen Ausgang sichtbar. Wir können es kaum glauben, dass noch Tag ist. Die Schritte beschleunigen sich merkbar.
Wir sind zu recht stolz auf uns. Schliesslich haben wir auch einen Frosch gerettet.
Vielleicht war das ja der ganze karmische Sinn der Reise und alles andere hat uns das Schicksal nur eingeredet. Die Sache mit dem freien Willen ist ja nicht unumstritten.
Wer weiss, wozu es gut war!
In diesem Sinne danke ich wie immer für die Aufmerksamkeit.
Bis zum nächsten Abenteuer,
Andreas
(Achtung! Unten kommen noch Fotos!)
Fussnoten:
*Diese „Kopenhagener Deutung“ des Gedankenexperiments gilt natürlich als veraltet. Aber für einen Einstieg reicht die Geschichte allemal. Wir Laien haben es ja immer schon instinktiv erkannt, dass die Geschichte völliger Schwachsinn ist.
Die Quantenphysik hat mittlerweile zu uns aufgeholt, seit Zurek den Begriff der „Dekohärenz“ eingeführt hat. Dabei müssen wir uns mit der Dekohärenz-Zeit tD beschäftigen. Diese ist umgekehrt proportional zur Temperatur T und zur Masse m des Systems: tD ~ 1 / (Tm)
Alles klar? Keine Angst, das Lexikon des nutzlosen Wissens bietet noch viele ähnliche Schätze! Wer dennoch mehr darüber wissen will, wird hier einiges finden:
http://www.quanten.de/schroedingers_katze.html
Klettern, klettern, … Die gebückte Haltung kennen wir ja zum Glück schon länger als den aufrechten Gang.
Faszinierende Farben und Formen.
Wer genau hinsieht, erkennt weisse Punkte. Asseln!
Wenn ich gewusst hätte, dass ich von hinten fotografiert werde, hätte ich einen „cooleren“ Rucksack genommen 🙂
Anschleichen geht gut, aber Achtung! Das nächste Loch wartet schon!
Jetzt volle Konzentration! Christof ist sich der Gefahr offensichtlich bewusst.
Sorry, aber dieses Bild der Erschöpfung musste einfach hinein 🙂
So ist’s schon besser …
Jede Zelle meines Körpers ist glücklich …
Der legendäre Zierhutsee mitten im Berg. Die Durchquerung wäre möglich gewesen, das hätte allerdings Schwimmen bedeutet.
Ich wollte ja, aber die anderen …- 😉
So sehen also die Radieschen von unten aus. Wir erfahren es schon zu Lebzeiten!
Kurz vor dem Abseilen…
Angst ist gut!!
Ein bisschen Vertrauen wäre aber auch nicht schlecht…
Ein kleines Gebet vor dem Aufstieg kann nicht schaden.
Zuerst runter, dann wieder rauf!
Silvia lässt sich von der global gesehenen Sinnlosigkeit der ganzen Tour nicht irritieren.
Auf die Plätze, fertig, los!
Laura hängt die Männer locker ab.
Ito, läuft auch gleich los, allerdings in die andere Richtung. Im Dunkeln ist die Orientierung nicht so einfach.
Hier muss doch irgendwo mein Schlüssel liegen …
Ein praktischer Tisch für die Jause.
Ist es Angst oder Freude? Ich glaube Franz ist sich selbst nicht ganz so sicher.
Ich verursache einen Stau.
Überholverbot.
Die Fledermaus darf natürlich nicht fehlen. Aufs Gruppenfoto wollte sie leider nicht mit drauf.
Bojan im Selbstportrait
Täusche ich mich, oder scheint er nahe daran sich ein Ohr abzuschneiden?
Gruppenbesprechung.
Die Lage ist verzweifelt aber nicht ernst.
Erschöpft am Rückweg
Eine letzte technische Herausforderung. Hier verdient sich Christof gerade 7.5 Stilpunkte.
Einen Punkt Abzug gibt es dafür, dass er seinen Anzug nicht sauber gehalten hat.
Ito und der geheiligte Brotlaib. Im Notfall hätten wir damit die ganze Zivilisation gerettet. Es soll keiner sagen, wir wären nicht vorbereitet!
Alle Fotos von Silvia, Bojan und Andreas
Wer die Tour ebenfalls machen will, der ist bei den Betreibern der Lurgrotte (Peggau) bestens aufgehoben: Die Tour gibt es wegen Hochwassergefahr nur im Winter von November bis März. Nähere Infos:
http://www.lurgrotte.com/fuehrungsablauf/abenteuerfuehrungen/index.html
Von uns gibt es auf jeden Fall 5 von 5 möglichen Empfehlungpunkten.
Wirklich tolle Zusammenstellung eures Abenteuers! Da kann man sich so richtig in eure Stimmung hineinversetzen. Für die Tropfsteinunterscheidung hat Sonni übrigens in der damaligen Frauenoberschule eine gereinigte Version beigebracht bekommen: Stalagmiten kann man MITnehmen…:-))
ganzlig
Horst